Good Practices

Erfahrungen und deren Weitergabe bilden eine wesentliche Grundlage von immateriellem Kulturerbe (IKE). Auch in der Museumsarbeit spielen neben den (materiellen) Objekten die Dokumentation und Weitergabe von (immateriellen) Kenntnissen und Fertigkeiten, die mit dem Objektwissen verknüpft sind, eine wichtige Rolle. Die Befragung der 101 Museen, die für eine erste Bestandsaufnahme im Rahmen des Projektes „Materialisierung des Immateriellen?“ (zum Working Paper) durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass das Interesse am Austausch in den Häusern sehr groß ist – insbesondere hinsichtlich der Entwicklung und Umsetzung digitaler Angebote für die Vermittlung von IKE.

Hier werden die Erfahrungen und Ideen der Häuser im Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten dieser digitalen Projekte zur Vermittlung von IKE präsentiert. Kolleg*innen aus vier Museen – dem Porzellanikon in Selb, dem Historischen Museum Frankfurt in Frankfurt am Main, dem Bach-Museum in Leipzig und dem Buddenbrookhaus in Lübeck – gaben tiefergehende Einblicke in ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit IKE und digitalen Vermittlungsangeboten.

Immaterielles Kulturerbe (IKE) lebt durch die Menschen, die es praktizieren – die Communities of Practice. Sie geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter und entwickeln es durch Praxis und Austausch stetig fort. Museen und ihre Mitarbeiter*innen können auch Akteur*innen in der Ausübung und in der Pflege von IKE sein. 

Die Träger*innen und weitere Stakeholder*innen des IKE einzubeziehen, ist für die Museumsarbeit unverzichtbar, denn sie sind die Expert*innen. Nur mithilfe ihrer Kenntnisse und Erfahrungen kann IKE in seiner Vielfalt und Vielschichtigkeit im Museum gesammelt, dokumentiert, erforscht und präsentiert werden. Erfahrungen und Kenntnisse aus den gemeinsamen Entwicklungen von (digitalen) Projekten in den befragten Museen sind hier zusammengetragen.

Vielfalt anerkennen & leben

Die Menschen, Gruppierungen und Communities, die sich mit IKE befassen, es leben, pflegen und diskutieren, zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus. Das von den Museen berichtete Spektrum reicht von Laien über Autodidakt*innen bis hin zu hoch spezialisierten Expert*innen. Die Träger*innen sind als Einzelpersonen aktiv und/oder in Vereinen, Arbeitskreisen etc. ehrenamtlich engagiert; sie arbeiten in Unternehmen sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen, mitunter auch in den Museen selbst.

IKE-Akteur*innen bringen also unterschiedliche Hintergründe, Expertisen und Sichtweisen auf immaterielles Kulturerbe ein. Die Multiperspektivität, die aus der Zusammenarbeit verschiedener IKE-Akteur*innen entsteht, ist eine besondere Stärke.

„Jeder bringt eine etwas andere Perspektive in das Projekt hinein. Das ist ein großes Glück.”

„Die Leute, die hier die Vorführungen machen, sind fast durch die Bank Leute, die das gelernt haben und die ursprünglich in der Porzellanindustrie gearbeitet haben.”

Fazit: 

Schauen Sie genau hin. Lernen Sie „Ihre“ Community/Communities of Practice kennen und verschaffen Sie sich einen Überblick über die Bandbreite von Wissen, persönlichen Erfahrungen und Wünschen, um gemeinsam Projektideen zu entwickeln. Schaffen Sie bei der Entwicklung Ihrer Anwendung Raum für diese vielfältigen Potenziale. Je facettenreicher die Perspektiven, desto wertvoller für Ihre Anwendung.

IKE-Träger*innen einladen & unterstützen

Nicht alle Museen stehen in einem alltäglichen Kontakt mit IKE-Träger*innen. Deren Beteiligung an digitalen Projekten ist kein Selbstläufer. Gezielte Ansprachen sind daher häufig notwendig. 

„Es gab den konkreten Aufruf: “Wir brauchen eure Perspektiven!”. Das hat sich sehr gut vermittelt.”

Die Formen der Beteiligung von IKE-Träger*innen und Träger*innengruppen können dabei sehr verschieden sein. Sie gehen von der inhaltlichen Beratung über die Erstellung digitaler Beiträge bis hin zur Beteiligung an der Konzeption und Entwicklung digitaler Projekte. Und auch die Art und Weise der Beiträge zeichnet sich durch eine große Vielfalt aus.

„Insgesamt bewegt sich das schon auf dem Kontinuum von einer Schulklasse, die sich soziokulturell betätigt, oder auch einem gemeinsamen Lernen in einem Workshop bis hin zu Medienkünstler*innen, die Inhalte auf einer ganz anderen Ebene produzieren.”

Vielfältige Potenziale können sich entfalten, wenn die IKE-Träger*innen dabei unterstützt werden, sich aktiv zu beteiligen. Die Museen können hier ihr Wissen und ihre Fähigkeiten sowie Infrastruktur zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe die IKE-Träger*innen ihr immaterielles Erbe pflegen, präsentieren und weitergeben können.

„Es gibt ein Bedürfnis, Medienkompetenz zu lernen, um diese Geschichten zu erzählen. Und dann haben wir Workshops angeboten, in denen Nutzer*innen genau das lernen konnten.”

„Menschen zu unterstützen, Geschichten zu erzählen, und ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Form des Wissens vermittelbar zu machen, das ist ganz wichtig im Museum.”

Fazit: 

Sprechen Sie die IKE-Träger*innen an und laden Sie sie ein, gemeinsam Projekte für die Pflege, Weitergabe und Vermittlung des immateriellen Kulturerbes zu entwickeln bzw. sich an IKE-Projekten zu beteiligen. Sehr verschiedene Formate können so entstehen. Schauen Sie dabei, wie Sie mit Ihrem Wissen, Ihren Erfahrungen und Fähigkeiten die IKE-Träger*innen in der Beschäftigung mit deren immateriellem Kulturerbe unterstützen können.

Kommunikation planen & gestalten

Offene und wertschätzende Kommunikation bildet die Grundlage für das Gelingen eines gemeinsamen IKE-Projektes. Insbesondere in kollaborativen Prozessen kommt es darauf an, Wissen sowie die „Deutungs- und Entscheidungshoheit“ zu teilen. In der Zusammenarbeit zwischen Museen und IKE-Träger*innen kann daher ein gewisses Konfliktpotenzial liegen, schließlich können sich das Verständnis von IKE sowie die Herangehensweisen und Zielsetzungen hinsichtlich der Pflege der kulturellen Ausdrucksformen unterscheiden. Dies sind Aushandlungs- und Lernprozesse für alle Beteiligten.

„Das ist eine andere Form des Zusammenarbeitens. Weil es nicht darum geht, gemeinsam eine große Ausstellung zu eröffnen, sondern dass wir gemeinsam lernen. Das ist eigentlich so ein Peer Learning. Und dieses gemeinsame Lernen kann digitale Literacy beinhalten, aber natürlich geht es auch um das Lernen verschiedener Perspektiven auf die Stadt und das Austauschen darüber.”

Der Austausch zwischen Museumsmacher*innen und IKE-Träger*innen braucht Aufgeschlossenheit, Transparenz, Vertrauen – und vor allem viel Zeit.

„Manche Stadtlaborant*innen brauchen mehr Betreuung als andere.”

Gelingt es hier bei dem gesamten Prozess, das Museumskollegium mitzunehmen, indem es seinerseits mit seinen Expertisen möglichst früh und eng einbezogen wird, profitiert das gesamte Projekt. 

„Es ist schön, zu sehen, wie positiv nicht nur die Museumsgäste, sondern auch das Kollegium auf das Projekt reagiert haben – viele hatten Lust, selbst etwas beizutragen.”

„Deshalb würde ich bei solchen Sachen, gerade, wenn es ein bisschen längerfristig ist, einen übergreifenden Charakter hat und das ganze Haus und die ganze Sammlung betrifft, immer dazu raten, möglichst viele einzubeziehen. Das macht auch Spaß und bringt auch die Verbindung mit dem Projekt. [...] Deshalb hat das im Haus so eine schöne Dynamik entwickelt.”

Fazit: 

Wertschätzende Kommunikation und die Moderation von Aushandlungs- und Lernprozessen sind essenziell für das Gelingen Ihres Projektes. Planen Sie den Austausch mit den IKE-Träger*innen sorgfältig, aber auch ergebnisoffen. Berücksichtigen Sie, dass eine Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit gegenseitiges Vertrauen ist, das aufgebaut werden muss. Das gilt sowohl für die Community of Practice als auch für die Mitarbeitenden im Museum. Nehmen Sie sich dafür ausreichend Zeit.

Museen sind Bindeglieder zwischen Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Als solche sind sie es gewohnt, Netzwerke zu pflegen: zu Ehrenamtlichen und Expert*innen, zu akademischen Einrichtungen in ihrem Themenfeld, zu potenziellen Geldgebern, zu Medien und Politik.

Eine Vielzahl der befragten Kolleg*innen in den Museen betonten, dass insbesondere im Kontext digitaler Vermittlung von IKE diese Netzwerke sehr wertvoll sind, da für diese Art von Projekten Know-how aus den verschiedensten Bereichen gebraucht wird. Ein Zusammenarbeiten mit weiteren Stakeholdern kann über inhaltliche und technische Aspekte hinaus auch auf programmatischen und institutionellen Ebenen einen Mehrwert erbringen.

Inhaltlich können neben den Praktiker*innen auch Akteur*innen aus der Forschung zur Pflege und Weitergabe von IKE beisteuern.

„Als Abteilung des Bach-Archivs sind wir ausgesprochen gut vernetzt: Wir gehören zu einem Forschungsinstitut, das Grundlagenforschung betreibt, und haben eine Forschungsbibliothek, die auch öffentlich genutzt werden kann.“

Technische Kenntnisse sind sowohl für die Vorbereitung und die Umsetzung von digitalen Projekten als auch für die Nutzung und Weiterentwicklung der digitalen Anwendung ein unverzichtbares Gut. Entwicklungspartnerschaften vereinfachen dies.

„Das Projekt ist nur durch die Zusammenarbeit mit dem Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität zu Lübeck möglich gewesen. [...] IT-Entwicklungen sind sonst oft nur über teure Aufträge erweiterbar.”

Darüber hinaus lohnt es sich für die Vermittlung von IKE im Digitalen, aber auch im Analogen, ein breites und vielfältiges Fundament auch mit anderen Institutionen zu schaffen.

„Es gibt in Frankfurt den Webmontag, was ein regelmäßiges Treffen ist, bei dem immer alles Mögliche im Zusammenhang mit Technik und Gesellschaft diskutiert wird. Mit den Organisator*innen haben wir uns zum Beispiel vernetzt, waren dort präsent und haben das präsentiert und Leute eingeladen und versucht, in verschiedenen Foren, die sich mit unterschiedlichen Elementen des Projekts beschäftigen, präsent zu sein, um die dann reinzuholen.”

„Wir sind auf die Technik aufmerksam geworden, weil wir im Zentrum für kulturwissenschaftliche Forschung der Universität zu Lübeck zusammenarbeiten. Dort sind verschiedene Institutionen der Stadt zusammengeschlossen und dort habe ich das zum ersten Mal gesehen. Ein anderes Museum hier aus Lübeck hat auch schon eine Anwendung damit erstellt, das Museum für Natur und Umwelt. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben jetzt dieses größere Projekt gemeinsam mit der Universität entwickelt.”

„Im Bach-Archiv haben wir ein künstlerisches Betriebsbüro, das jedes Jahr ein großes internationales Bachfest organisiert. Alle zwei Jahre gibt es einen Bach-Wettbewerb für junge Nachwuchsmusiker*innen. Wir haben eine Kammermusikreihe und Konzerte zur Ausstellung. In unserer Institution arbeiten also viele verschiedene Personengruppen zusammen und blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Johann Sebastian Bach. Das ist der große Vorteil im Bach-Archiv.”

Fazit

Das IKE lebt durch die Vielfalt seiner Praktiken sowie Wissensebenen und -systeme. Bauen Sie einen möglichst vielseitigen Gesprächskreis und Netzwerke auf, um verschiedene Perspektiven einbeziehen zu können. Neben den gemeinschaftlichen inhaltlichen Erarbeitungen suchen Sie sich auch Partner, mit denen Sie insbesondere technische Prozesse gemeinsam im Austausch entwickeln können.

Externe erreichen 

Museen wollen aber nicht nur Museumsmacher*innen und IKE-Expert*innen zusammenbringen, sondern auch und vor allem Orte sein, an denen Menschen ohne Vorwissen mit IKE in Kontakt kommen und begeistert werden für die Besonderheiten der kulturellen Ausdrucksformen sowie für die Praktiken und Menschen, die IKE leben und weitergeben. Um das Interesse der sogenannten „IKE-Externen“ an immateriellen Kulturformen zu wecken, können digitale Anwendungen als Brücke dienen.

„Besucher haben dann ein ganz anderes Bild von Orchestern und der Aufführungspraxis alter Musik.”

Über Schulen und Freizeiteinrichtungen können vor allem junge Menschen erreicht werden.

„Wir haben eine sehr gut funktionierende Museumspädagogik, die mit vielen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren in der Stadt zusammenarbeitet.”

Die Frage, wie man das Interesse der jüngeren Generationen weckt, ist nicht nur für Museen eine große Herausforderung. Auch im Kontext von IKE ist es nicht immer leicht, den Nachwuchs zu begeistern.

„Unser Ziel ist es, auf kreative und spielerische Weise Menschen für diesen faszinierenden Werkstoff mit seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten zu begeistern. Damit soll die Wertschätzung für handgemachtes Glas gerade bei jungen Menschen gefördert werden, denn nur so hat dieses Handwerk gute Zukunftsperspektiven.”

Fazit

IKE muss beständig ausgeübt, diskutiert und weitergegeben werden, um lebendig zu bleiben. Sichtbarkeit und Verständnis sind zentral, damit Menschen in jeder Generation aufs Neue einen Umgang mit IKE finden. Es ist wichtig, dass Sie die Interessen und Bedürfnisse Ihres Publikums und insbesondere Ihrer jüngeren Besucher*innen im Blick haben, wenn Sie Angebote entwickeln, um IKE erfahrbar zu machen.

Die Möglichkeiten der digitalen IKE-Vermittlung in Museen sind eine zentrale Fragestellung des Projekts „Materialisierung des Immateriellen?“. Was also sind die Chancen und welche Herausforderungen gibt es? Welche Vermittlungskonzepte funktionieren und welche Medien bieten sich wofür an? Welchen Mehrwert hat die digitale Vermittlung für das Museum, die Nutzer*innen und die IKE-Akteur*innen? Dazu mehr im Folgenden.

Viele der von uns befragten Museumskolleg*innen arbeiten engagiert daran, immaterielles Kulturerbe möglichst attraktiv zu präsentieren. Sie sind überzeugt: Digitale Anwendungen helfen dabei, ein Thema besser und anders zu verstehen und stärker zu verinnerlichen.

„Für uns ist es als Museum wichtig, das [literarische Schaffen Stoltzes] lebendig zu präsentieren. Und genau dafür sind die digitalen Medien gut.”

„Das digitale Angebot hat schon die alte Porzellantechnik wieder mit in Erinnerung gebracht, oder bei Leuten, die da noch nie was von gehört haben, ein bisschen dazu beigetragen, es ein bisschen mehr zu schätzen.”

Es soll eine Sensibilisierung für das IKE erreicht werden, die über erweiterte Wahrnehmungen, Aktivierung der Sinne und Anregung der Phantasie erzeugt werden soll.”

Dabei gilt: Je unmittelbarer die Erfahrungen und Kenntnisse vermittelt werden, desto größer der Reiz.

„Das ist der Mehrwert, den es bei uns eben gibt, dass man den Leuten eben Löcher in den Bauch fragen kann, und diesen Faktor wollten wir im Tutorial ein bisschen simulieren.”

Immaterielles Kulturerbe ist per se komplex und vielschichtig und wirkt auf mehreren Ebenen. Ein museales Vermittlungsangebot muss daher ganz unterschiedliche Zugänge zu den Themen und Inhalten anbieten und unterschiedliche Vorkenntnisse berücksichtigen. Digitale Angebote haben hier großes Potenzial, da sie unterschiedliche Medialitäten zusammenführen und über unterschiedliche Kanäle genutzt und abgerufen werden können. 

„Menschen erschließen sich Inhalte auf unterschiedliche Weise. Und deshalb plädiere ich dafür, vielfältige Zugänge anzubieten, damit sich möglichst viele auf ihrem präferierten Weg einem Thema nähern können. Dadurch wächst auch die Bereitschaft, andere Zugänge zu erproben.”

„Um das IKE weiterzutragen, braucht es immer mehrere Ebenen.”

„Ich glaube, es braucht eine gute Balance aus Angeboten, die zu konsumieren sind und zum Reflektieren anregen, und solchen, bei denen man sich wirklich aktiv einbringen muss. Wir brauchen eine Landschaft aus verschiedenen Angeboten.”

„Gerade die poetische Sprache, die vom Hören, vom lauten Lesen und kreativen, sinnlichen Zugang lebt, kann mit digitalen, audio(visuellen) und interaktiven Angeboten sehr vielschichtig und lebendig vermittelt werden.”

Ein großer Vorteil digitaler Inhalte liegt in ihrer einfachen und kostengünstigen Reproduzierbarkeit. Viele Museen legen ihre digitalen Anwendungen von vornherein so an, dass sowohl Technik als auch Inhalte (Content) mehrfach verwendet werden können.

„Den Content, den wir produziert haben, können wir für ganz vieles nutzen. Den haben wir über Social Media gepostet, den haben wir auf die Homepage gestellt und wir haben ihn im Ausstellungsraum.”

„Digitale Formate lassen sich leicht multiplizieren, man kann von Partnern schon Vorhandenes nutzen.”

Einen weiteren Mehrwert digitaler Anwendungen sehen einige der Befragten auch in der Automatisierung von Abläufen, die Effizienzgewinne ermöglicht. Wo Wissen per App oder Computerspiel anstatt durch eine*n Museumsmitarbeiter*in vermittelt wird, ist das Museum räumlich, zeitlich und personell flexibler.

„Es senkt unseren Personalaufwand enorm, wenn Dinge auch unbetreut laufen können, und wir nicht fragen müssen: Geht das gerade? Ist jemand im Haus? Haben wir die Räumlichkeiten?”

Wenn man die Wiederverwendung und Nachnutzung einer digitalen Anwendung plant, sollte man immer die Frage nach den Urheber- und Nutzungsrechten bedenken:

„Wir bieten ja immer (die Entscheidung für eine Lizenzierung mit) Creative Comments Lizenzen an, sodass die Weiternutzung auch angedacht ist.”

Immaterielles Kulturerbe vermittelt sich vor allem in der Praxis – durch die Menschen, die Wissen und Fähigkeiten vorleben. Live-Veranstaltungen, wie zum Beispiel Vorführungen oder Workshops im Museum, sind durch nichts zu ersetzen – doch fallen diese aus, wenn der Glasbläser zum gegebenen Termin krank ist. Und sie bleiben in ihrer Wirkung begrenzt, wenn Menschen – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur gegebenen Zeit vor Ort sein können. In der Unabhängigkeit von Zeit und Ort liegt deshalb eine große integrative Kraft digitaler Vermittlung.

„Mit digitalen Anwendungen erreicht man viel breitere Nutzerschichten als früher – auch außerhalb des Museums.“

Barrierefreiheit und Inklusion sind Themen, die auch im Digitalen von Anfang an mitgedacht werden sollten – sowohl bei den Inhalten und der Gestaltung als auch bei der Technik.

„Um handwerkliche Techniken allgemein nachvollziehbar machen zu können, bedarf es verschiedener Medien. Inklusion muss man immer mitdenken, es später darüberzustülpen wird schwierig.”

„Wichtig war uns eine intuitive und barrierefreie Nutzung – gerade im digitalen Bereich. So kann auch (mobilitäts-)eingeschränkten Personen sowie einem überregionalen Publikum ein Museumsbesuch ermöglicht werden.”

Die breite Sichtbarkeit und Zugänglichkeit ermöglicht es, Menschen auf das Angebot aufmerksam zu machen, an die ursprünglich niemand dachte. Meistens wird die Anwendung dann auch noch zu völlig neuen interessanten Zwecken eingesetzt – ein häufiges Phänomen im digitalen Raum.

„Die Geschichts-AG der Schule hat festgestellt: Es gibt das Stadtlabor Digital, da könnten wir doch mit unseren Schüler*innen Beiträge zu den verschiedenen Denkmälern machen und hochladen. Das ist nichts, wozu wir eingeladen haben. Die haben festgestellt, da gibt es eine Infrastruktur, die genutzt werden kann, und haben uns dann kontaktiert.”

Ein besonderes Potenzial digitaler Anwendungen wird darin gesehen, dass sie als Verbindungsglied zwischen verschiedenen Orten dienen können.

„Ich stelle mir vor, dass Einrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Schulen, die Stadt begriffen als Raum und Historie, miteinander verbunden werden und dass wir wegkommen von singulären Anwendungen, die nur an einem Ort, für eine Sache genutzt werden können, die nicht zusammenspielen, wo wir keinen Datenaustausch haben, wo wir nicht kooperieren.”

Zahlreiche Museen schaffen mit ihren digitalen Anwendungen Querbezüge zwischen authentischen Orten in der Stadt (draußen) und dem Ausstellungsraum im Museum (drinnen), indem sie Informationen im Außenraum digital per QR-Code oder in einer App verfügbar machen.

„Der verbindende Punkt zwischen dem Außen und dem Innen ist Online, weil es hybrid ist, da ich von überall zugreifen kann: im Museumsraum, im Stadtraum oder zu Hause.”

Drinnen und Draußen sind über den Audioguide miteinander erfahrbar.”

Die sinnvolle Verbindung der digitalen Anwendungen mit analogen Angeboten wird dabei von den Befragten immer mit bedacht.

„Wir möchten das virtuell "begehbare Museum" auf der Homepage an bestimmten Punkten mit der Dauerausstellung verknüpfen und so beim Besuch des Museums Inhalte liefern, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind.”

Wir wollen Interaktion anregen und dabei eine gesunde Balance zwischen analoger und digitaler Welt finden.”

Natürlich hat die digitale Vermittlung von IKE ihre Grenzen. 

Viele Museumsmacher*innen, insbesondere wenn sie eng mit IKE-Träger*innen kooperieren, sind der Auffassung, lebendige Erlebnisse vermittelten sich am besten vor Ort und im direkten Austausch. 

„In unserem Museum erleben Sie Porzellanherstellung in echt, das ist unser großes Alleinstellungsmerkmal, an realen Objekten, die man sehen, anfassen, riechen kann. Da muss man ziemlich viel Aufwand betreiben, um das in den digitalen Raum zu retten.”

„Das IKE ‘Ostfriesische Teezeremonie’ wird im Medienguide explizit gar nicht genannt und beschrieben, da wir es als besser erachten, diese bei einer Führung lebendig und interaktiv vorzustellen.”

Ein wichtiger didaktischer Vorteil von Präsentationen vor Ort: Man kann dem Museumspersonal, häufig selbst IKE-Akteur*innen, Fragen stellen. Bei digitaler Vermittlung, beispielsweise per Livestream, klappt dieser Dialog nach den Erfahrungen der Befragten nur sehr eingeschränkt.

„Zum einen ist es schwierig, überhaupt ein Live-Publikum bei YouTube zu finden. Zum anderen gibt es dort nicht wirklich einen Rückkanal für Fragen, denn die wenigsten Leute sind bei YouTube angemeldet und können deshalb das Forum nicht nutzen.”

Auch digitale Angebote im Stadtraum funktionieren nicht von selbst.

„Wir stellen fest, dass die [Anlaufpunkte mit QR-Codes im Stadtraum] wenig genutzt werden. Ich sehe selten Leute, die da ihr Handy zücken. Im Infocenter ist es leichter, da ist immer jemand da, der animieren und sagen kann: Laden Sie sich das mal runter. Das funktioniert besser, als wenn einfach draußen etwas abstrakt auf einem Fenster steht.”

Die Nutzung digitaler Anwendungen, aber auch interaktive und partizipative Ansätze digitaler Angebote sind also keine Selbstläufer.

„Es braucht immer einen Anlass, ein Thema, einen Rahmen oder irgendein Ziel. Wir überlegen, ob wir in Zukunft ein Kampagnentool benutzen wollen, einen konkreten Aufruf, der dazu motiviert sich regelmäßig zu beteiligen. Sonst arbeiten wir in ein Nichts hinein.”

Fazit

Digitale Anwendungen vervielfältigen die Möglichkeiten, um IKE in seiner Vielfalt und Vielschichtigkeit zu dokumentieren und zu vermitteln. Sie können auf diese Weise ein vielstimmiges Vermittlungsangebot schaffen, das über die vier Wände sowie über das traditionelle Publikum Ihres Museums hinausgeht. Nutzen Sie die Potenziale, um das IKE und Ihre Museumsarbeit in einem größeren Kreis und auf verschiedenen Ebenen sichtbar zu machen. Und nutzen Sie verschiedene Räume und Orte, um Interesse und Neugierde für Ihre Inhalte, Ihre Arbeit und Ihr Museum zu wecken. Haben Sie keine Angst, dass mit der digitalen Vermittlung das Publikum nicht mehr kommt; die digitalen Angebote können das spezifische Museumserlebnis – den gemeinschaftlichen Umgang mit Menschen, Themen, Ideen, Objekten vor Ort – nicht ersetzen, aber erweitern.

Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten und digitale Angebote werden sich in Museen zukünftig ebenfalls weiterentwickeln. Einige Museen denken daher von Anfang an in größeren Maßstäben. Sie sehen die jeweilige Einzelanwendung nicht als abgeschlossene Einheit, sondern als Fundament, auf das man in späteren digitalen Projekten aufbauen kann und das eine Weiterentwicklung und Nachnutzung ermöglicht. Damit das gelingt, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen und Hürden zu nehmen.

Um einmal entwickelte Anwendungen nachhaltig nutzbar zu machen, lohnt es sich, eine technische Infrastruktur frühzeitig aufzubauen, denn sie kann die Hauptaufgaben des Museums, also das Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln, übergreifend unterstützen, wenn sie strategisch geplant wird.

„Eine digitale Strategie ist wichtig, denn es gibt immer die gleichen Probleme. Wie systematisch wird über digitale Sammlungen nachgedacht?”

„Und was ich mir wünschen würde, wäre weniger Quantität in den ganzen Anwendungen, die es gibt, eher Qualität und Überschaubarkeit, dass man auch mit begrenzten personellen Ressourcen bei einem System bleiben kann, das aber auch die nächsten zehn Jahre stabil und erweiterbar bleibt.”

Solche Gedanken entstehen allerdings selten vorab in einem geplanten Prozess, sondern ergeben sich eher in einem laufenden Projekt. Plötzlich wird erkannt, dass sich mit demselben technischen System mehrere Bedarfe abdecken lassen. Ein Beispiel ist das Content-Management-System im „Stadtlabor Digital“ im Historischen Museum Frankfurt (Frankfurt/Main): Eigentlich gedacht als Medium zum Ausspielen (= Vermitteln) von Inhalten, wurde bei der Entwicklung der Anwendung erkannt, dass mithilfe des CMS auch die Beiträge von IKE-Träger*innen gesammelt und dokumentiert werden können.

„Wir haben eine Tour gemacht, wo wir in die verschiedenen Stadtteile gefahren sind, um ganz viel Wissen über die Stadt zu sammeln. Zu der Zeit haben wir auch eine neue Webseite gebaut mit dem neuen CMS, in dem auch die ganzen Medienstationen verbunden sind. Und da haben wir gesagt, wir können in dem CMS die Geschichten der Frankfurter*innen auch direkt sammeln und dokumentieren. Das war einfach eine Infrastruktur, die wir bei uns im Haus ohnehin entwickelt haben und die wir gut nutzen können.”

An diesem Fall wird außerdem deutlich: Die in Museen präsentierten Sammlungsgüter werden zunehmend selbst digital. Die Sicherung und strukturierte Dokumentation digitaler Inhalte ist also eine wichtige anstehende Aufgabe für Museumsmacher*innen. Wo es früher darum ging, Dokumente aus feuchten Kellern zu retten und sie zu erhalten, müssen jetzt Datensammlungen gesichert werden – sei es von privaten Festplatten oder von öffentlichen Internetportalen. Wer vielfältig vermitteln will, muss auch vielfältig dokumentieren – und dafür braucht es Konzepte und eine technische wie personelle Infrastruktur.

„Das ganze Wissen, das wir haben, lagert auf privaten Festplatten. Da eine Datenbank zu schaffen, wie große Sportanbieter das auch haben, das ist unser Ziel.”

Ko-Kreation mit Gestaltern & IT-Entwicklern

In der digitalen Vermittlung spielt Technologie per Definition eine wichtige Rolle. In kaum einem Museum sind die personellen Kapazitäten und Kompetenzen vorhanden, ein solches Projekt allein zu stemmen. Daher werden externe Dienstleister aus der Kreativ- und IT-Branche sehr oft hinzugezogen. Diese schon sehr früh einzubinden, wird als ein Schlüssel zum Erfolg gesehen. 

„Es reicht nicht aus, ein Konzept für eine museale Anwendung zu erstellen und zu erwarten, dass es unverändert umgesetzt wird. Das wird in den seltensten Fällen funktionieren – und bei digitalen Anwendungen schon gar nicht. Die besten Ergebnisse erzielt man durch einen intensiven Dialog zwischen Museum, Gestalter*innen und Medien-Expert*innen.“

Welche Technik wählen?

Bei der Wahl der passenden Anwendung gibt es eine Vielzahl an Erwägungen. So sind die Erwartungen und Gewohnheiten des Publikums von zentraler Bedeutung für die Durchführung eines digitalen Projektes.

Und auch die IKE-Akteur*innen haben mit Blick auf die Vermittlung ihrer kulturellen Ausdrucksformen Erwartungen an die Form und Qualität.

„Für die Zukunft ist der Plan, in besserer Tonqualität aufzunehmen (mit Partner*innen vor Ort statt per Zoom), um mit nachhaltig hoher Qualität zu veröffentlichen.”

Beim Streben nach dem Wünschenswerten sollte das Machbare nicht aus den Augen geraten. Mindestens ebenso wichtig wie die Frage „Was will die Zielgruppe?“ ist die Überlegung „Was können wir leisten? Welche Ressourcen haben wir?“.

„Vor allen Dingen brauchen Museen Konzepte, die gut zu dem passen, was sie vermitteln möchten. [...] Unsere Expertise ist der Inhalt.”

Open-Source-Entwicklungen können hier helfen.

„Nicht jedes Haus kann Formate für sich entwickeln, da können Open-Source-Ansätze zur Weiternutzung helfen.”

Auch technische Aspekte müssen bereits in der frühen Phase berücksichtigt werden, damit die Anwendung dann in der gewünschten Weise verwendet werden kann.

„Das größte Problem ist, dass das Spiel stabil auf allen Geräten läuft.”

„Bei einer Web-App können alle Endgeräte drauf zugreifen.”

Usability-Testing

Sind erste Überlegungen zum Konzept und zur Technik der Anwendung gemacht, kann es helfen, diese nochmals zu hinterfragen und zu überprüfen – am besten mit verschiedenen Beteiligten – Museumsmitarbeiter*innen, IT-Dienstleister*innen und insbesondere den Nutzer*innen.

„Dann haben wir nach diesem Kick-off auch User Testing gemacht zu einem relativ frühen Zeitpunkt, auch mit dem Programmierer. Es war wichtig, dass der dabei war.”

In digitalen Projekten sind User-Tests mit Prototypen inzwischen Standard – und sie werden von den befragten Museen auch empfohlen. Einerseits, um sinnvolle Features von weniger geeigneten abzugrenzen:

„Wichtig wäre, dass man eine Art ‘Minimal Viable Product’ veröffentlicht und von da aus ganz viel testet, um dann im nächsten Schritt erst zu entscheiden, in was wird weiter investiert.”

Andererseits auch, um technische Probleme zu identifizieren.

„Es gab Testphasen und wir haben das natürlich auch an verschiedenen Geräten getestet.”

Begleitende Kommunikation

(Kooperative) digitale Projekte sind sehr kommunikative Prozesse. Der stetige Austausch zwischen den verschiedenen Beteiligten ist fundamental, speziell bei „agilen“ Projekten, bei denen kontinuierlich darauf geachtet werden muss, dass die gemeinsam gesteckten Ziele erreicht werden.

Auch die (potenziellen) Nutzer*innen sollten auf vielfältige Weise in den Entstehungsprozess eingebunden werden. Neben den Usability-Tests lohnt es sich, Interesse für das Projekt zu wecken und stetig über den Fortgang der Entwicklung zu informieren. Auf diese Weise kann auch die Museumsarbeit selbst transparent präsentiert werden.

„Ich habe das ganz kurz dokumentiert - im Museumsblog.”

Museumsmitarbeiter*innen unterstrichen, dass die Kommunikation auch nach der Bereitstellung der Anwendung fortzuführen sei, um so das Publikum auf die erweiterten Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Gerade bei komplexen oder auch fragilen Angeboten erweist es sich als hilfreich, unterstützendes Personal für die Betreuung der Anwendung einzuplanen.

„Es braucht jemanden vor Ort, der das im Zweifelsfall erklärt und hilft. So selbsterklärend ist das alles noch nicht und es ist gerade für unsere Besucherklientel nicht immer selbstverständlich, so locker mit Technik umzugehen. Das heißt, man braucht einfach Personen, die sich das selbst zutrauen, damit umzugehen, und die dann auch helfen.”

„Es ist nicht so offensichtlich, dass wir Audioguides haben. Da müssen wir selbst noch tätig werden und das hausintern besser bewerben.”

Digitale Anwendungen haben Entwicklungskosten, aber sehr häufig auch Folgekosten. Kaum ein Hinweis wurde von den befragten Museen so häufig gegeben wie der, den Betreuungs-, Wartungs- und Weiterentwicklungsaufwand digitaler Anwendungen nicht zu unterschätzen.

Ein Spiel, das im App-Store steht, muss auf dem neuesten Stand gehalten werden. Sonst funktioniert es nicht mehr oder wird sogar vom Betreiber des App-Stores entfernt. Ein Content-Management-System braucht regelmäßige Aktualisierungen, sonst ist die Datensicherheit gefährdet.

„Sie sollten von vornherein überlegen: Wie schnell veraltet die Anwendung bzw. wie oft benötigt sie ein Update? Denn Überarbeitungen und Wartungsverträge kosten Geld. Eine Dauerausstellung muss ich nicht jedes Jahr erneuern, eine Medienanwendung im Zweifel schon.”

„Der Aufwand, die Technik durchgängig am Laufen zu haben ist sehr hoch und erfordert vom Museumspersonal gute Nerven.”

„Man muss sich vorab sehr genau überlegen, wie viel Ressourcen man dafür hat und welche Kosten das Projekt im Unterhalt hat. Man muss zum Beispiel den Server bezahlen, auf dem die Daten gehostet werden. Bei Dingen, die man programmieren lässt, ist oft auch die Wartung sehr teuer. Wenn man die Folgekosten nicht tragen kann, dann ist das einfach weg, dann ist diese ganze Arbeit futsch.”

„Die technische Wartung der Anwendung und die Möglichkeit der Weiterentwicklung sollten von Anfang an einbezogen werden.”

„Bei Nachhaltigkeit denke ich vor allem an Hardware und ich denke auch ressourcenschonend, dass man nicht alle 12 Monate ein Display irgendwo einbauen muss. Man sollte schon Teile einbauen, die möglichst lange da bleiben können.”

Weiterentwicklung ist für den Erfolg digitaler Museumsprojekte ein wichtiges Stichwort. Denn im Grunde ist die Entwicklungsfähigkeit geradezu ein Wesensbestandteil des Digitalen. Allerdings gibt es im Museumskontext aktuell zahlreiche Hindernisse, die den Fortschritt insgesamt verhindern oder zumindest verlangsamen. 

Regulatorische Hürden

Gesetzliche Vorgaben, sei es zum Datenschutz oder zu Förderrichtlinien, können die gewünschte Weiterentwicklung erheblich erschweren:

„Wir sind ein städtisches Haus und arbeiten über die städtische IT. Wir haben hohe Sicherheitsauflagen, was IT-Anwendungen jeder Art angeht. Alles, was an Medien rein- und rausgeht, ist schwer ins System zu kriegen und wieder hinaus. Deshalb haben wir diese Anwendung als ein separates System gebaut, das nicht an der Internetleitung des Hauses hängt, sondern über ein zugekauftes W-Lan funktioniert. Man muss dann bei der Qualität der Verbindung manchmal Abstriche machen – was schade ist.”

„Die Software wurde von der Uni Lübeck über ein DFG-Projekt entwickelt. Wir dürfen diese nicht kommerziell nutzen, sondern sind Partner im Erprobungsprozess. Das ist für beide Seiten ein großer Gewinn. Ob die Lernsoftware letztlich einen Käufer findet, der sie vertreibt, ist unklar. Ich würde mich sehr darüber freuen, denn ich glaube, es gibt nichts Vergleichbares am Markt – und ich selbst würde das Programm bei uns natürlich gern weiter betreiben.”

Technische Hürden

Die rasante technische Entwicklung im Digitalbereich macht es zur Herausforderung, Anwendungen aktuell zu halten oder sogar weiterzuentwickeln. Noch schwieriger wird es, wenn man mit externen Partnern arbeitet, die nach Projektende nicht mehr zur Verfügung stehen.

„Üblicherweise kauft man eine Lösung bei einem Softwareanbieter oder bei einem Programmierer ein. Dann macht man das einmal fertig und dann ist das so wie hergestellt – jede Änderung ist schwierig oder kostenintensiv.”

Selbst wenn es gelingt, Fachkenntnisse intern aufzubauen, können Eigenleistungen auch an der technischen Ausstattung scheitern.

„Wenn wir Content produzieren, können wir das nie auf unseren Dienstrechnern hier machen, denn dafür sind die nicht gedacht. Wir haben einen Gaming-Laptop gekauft mit einem starken Prozessor, Arbeitsspeicher und einer super Grafik. Auf dem machen wir dann das, was Bildbearbeitung und Filme und Ähnliches angeht. Erst wenn alles fertig ist, speichern wir es bei uns ab.”

Auch die Ausstattung der Nutzer*innen ist ein einschränkender Faktor für den Projekterfolg:

„Wichtig ist es auch, dass die Empfänger gut ausgestattet sind, was Internetgeschwindigkeit etc. angeht.”

„Die Digitalisierung auf dem Land ist in unserer Region nicht so weit fortgeschritten, dass man onlineabhängige Angebote realisieren kann.” 

Finanzielle Hürden

Je komplexer die Technik, desto personalintensiver und kostenaufwendiger sind Wartung und Weiterentwicklung. Deshalb empfehlen viele Museumskolleg*innen, die Anwendungen einfach und überschaubar zu halten.

„Das Personal für aufwändige Wartung ist nicht vorhanden, deswegen soll die Sache möglichst einfach sein.”

„IT-Entwicklungen sind oft nur über teure Aufträge erweiterbar.”

Fazit

Die digitalen Technologien erbringen für die Vermittlung vielfältigste Möglichkeiten. Nutzen Sie bei der Planung Ihres digitalen Projektes das technische Know-how von IT-Expert*innen. Digitale Entwicklungen sind zumeist aufwendiger, als sie erscheinen. Planen Sie daher Zeit für Konsultationen, den Austausch und für Testdurchläufe ein. Und haben Sie unbedingt auch die Nutzung und Pflege Ihres digitalen Angebots sowie die Möglichkeiten der Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung bei Ihrer Planung im Blick – nicht nur aus finanzieller, sondern auch aus personeller Perspektive.

Die Umsetzung digitaler Projekte im Museumskontext ist komplex und erfordert eine sorgfältige Planung und Ausführung. Hier kommt das Projektmanagement ins Spiel, das einen strukturierten Ansatz für die Verwaltung digitaler Projekte bietet und sicherstellt, dass diese pünktlich, innerhalb des Budgets und in der gewünschten Qualität durchgeführt werden.

In eigentlich jedem Kommunikationsprojekt ist es sinnvoll zu fragen, was die Zielgruppe wünscht und erwartet und welche Art der kommunikativen Vermittlung sich anbietet. Je gründlicher diese Analyse des Marktumfeldes ausfällt – zum Beispiel bezogen auf die Altersstruktur der Besucher*innen, ihre Vorlieben und Verhaltensweisen –, desto besser.

„Wir brauchen erst mal ein Brainstorming, schauen erst mal, was sind die Ideen, und dann müssen wir rausgehen und mit vielen Nutzer*innen sprechen.”

Doch sollte der Blick nicht auf das Museumspublikum begrenzt bleiben. Eine besonders wertvolle Ressource in IKE-Projekten sind die IKE-Träger*innen. Sie frühzeitig mit einzubinden und nach ihren Erfahrungen mit der IKE-Vermittlung zu befragen, kann sehr wertvoll sein.

Neben dem Finanziellen ist Zeit die Ressource, mit der im Projektmanagement sehr bewusst geplant werden muss, gerade in Digitalprojekten. Sehr häufig hörten wir, dass Dinge länger dauern, als ursprünglich gedacht.

Ein Weg damit umzugehen ist es, den Qualitätsanspruch, und damit den Aufwand, pragmatisch anzugehen.

„Was die Produktion von Videos betrifft, so ist das doch viel aufwändiger, als man erst mal denkt. […] Aber wir haben dann eben nicht auf Perfektion gesetzt. Das war auf jeden Fall ein Zugeständnis an den Aufwand, den wir betreiben wollten und konnten.”

Gerade das Beispiel des Porzellanikons zeigt: Wo digitale Formate eher Werkstattcharakter haben, erwarten die Nutzer*innen keine technologischen Wunder. Hier ging es darum, in einer Pandemiesituation ad hoc alternative Präsentationsformen zu finden, um dem Publikum überhaupt etwas bieten zu können. Inwieweit das auch in einer Zukunft funktionieren wird, in der wegen immer besser werdender digitaler Angebote im kommerziellen Bereich auch im Museumskontext die Erwartungen steigen dürften, bleibt abzuwarten. Wichtig bleibt, sich über Ziele und Strategien der eigenen Digitalprojekte klar zu werden und damit transparent umzugehen.

„Wenn die Inhalte überzeugen, muss eine Anwendung nicht wie das tollste Computerspiel aussehen, das gerade auf dem Markt ist. Damit können wir nicht konkurrieren. [...] Gute Inhalte und gute Konzepte: hier sind wir klar im Vorteil.”

Eine wichtige Aufgabe innerhalb des Projektmanagements ist es, die Kosten im Blick zu behalten. Dazu gehören die Budgetplanung sowie das Anzapfen möglicher Finanzierungsquellen. 

Fördertöpfe nutzen

Öffentliche Förderprogramme sind ein wichtiger Faktor zur Finanzierung von Museen. Ohne diese, so hörten wir immer wieder, hätte es viele der hier dargestellten Anwendungen und Projekte nie gegeben.

„Die Erstellung des Klavierklangmodells war ein herausforderndes Projekt, dessen Umsetzung mehr als ein Jahrzehnt gedauert hat und nur mithilfe der Bundesförderung realisierbar wurde.”

Gelder für digitale Museumsprojekte sind also in durchaus relevantem Umfang vorhanden.

„Für digitale Anwendungen im Museum kann man relativ einfach Fördergelder akquirieren.” 

Die Herausforderung für die Museen besteht jedoch darin, dass die Förderprogramme meist eine besondere Zielrichtung und sehr spezifische Zugangsvoraussetzungen haben, denen entsprochen werden muss. Es kommt also darauf an, Richtlinien genau zu lesen und die Förderanträge exakt darauf anzupassen.

Es gibt sehr viele Fördermittelprogramme. Und jedes hat andere Voraussetzungen. Ich stelle gerade mehrere Fördermittelanträge für ein und dasselbe Projekt. Je nach Programm muss ich den Antrag anders aufbereiten.”

Womöglich muss das eigene Projekt in seiner Ausrichtung sogar leicht verändert werden, um förderfähig zu sein. So kann ein Spannungsverhältnis zwischen einem vorgegebenen Ziel bzw. gewünschten Ergebnis auf Seite der Förderer und dem Wunsch nach einem ergebnisoffenen, kreativen Prozess auf Museumsseite entstehen.

Ressourcen & ehrenamtliches Engagement

Wenn es um Mittelakquise geht, wird ein Aspekt gern übersehen: Durch das Know-how vor Ort in den Museen sowie durch das Engagement von Ehrenamtlichen, oft selbst IKE-Träger*innen, lassen sich Kosten mitunter in relevantem Umfang einsparen.

„Haben dann unseren hausinternen Kameramann quasi entführt und haben dann mal diese kurze virtuelle Einführung gemacht.”

„Da haben wir auch die Idee, dass man die Geschichte der Eintracht mit ehrenamtlichen Helfern dokumentieren kann.”

Die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen kann hier sehr hilfreich sein.

„Die kostengünstige Umsetzung des Mediaguides liegt u.a. am ehrenamtlichen Engagement vieler daran Beteiligter sowie an der breiten Unterstützung des Förderkreises Norder Museum und des Freundeskreises des Ostfriesischen Teemuseum.”

Einbeziehung von Beteiligten/Expert*innen

Im Kapitel Community-Arbeit wurde bereits erläutert, wie wichtig es in digitalen IKE-Projekten ist, die Communities of Practice und IKE-Träger*innen einzubeziehen. Dort wurde erwähnt, dass es ohne externe Expert*innen wie Mediengestalter*innen und IT-Fachkräfte, die bei der Umsetzung helfen, nicht geht. Daraus erwachsen wiederum Aufgaben für das Projektmanagement, denn diese Integrationsprozesse kosten Zeit.

„Je mehr Leute Sie integrieren, desto abhängiger sind Sie von den Terminkalendern anderer.”

Stetige Evaluierung

Zu einer guten Projektleitung gehört heute auch die rückblickende Bewertung des Geleisteten. Welche Ziele wurden erreicht, welche verfehlt? Was hat sich bewährt und was sollte in Zukunft anders laufen? Meilensteinplanung, Schulterblicke, Retrospektiven und Projektreviews sind hier die Methoden der Wahl, die zunehmend auch im Museumsbereich Anwendung finden.

 

Fazit

Die Koordination ist zentral für das Gelingen von Projekten: Der*Die Ansprechpartner*in ist für alle Beteiligten die Zentrale für den gemeinsamen Austausch. Bei ihm*ihr laufen die verschiedenen Fäden zusammen und es wird sowohl der Überblick über die einzelnen Wünsche, Aufgaben und Arbeitsphasen gewahrt, als auch das gemeinsame Ziel in den Blick genommen. 

Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Befragung noch einmal übersichtlich zusammengefasst – als Fazit oder schneller Überblick für Menschen mit wenig Zeit.

Wenn Sie gerade Ihr erstes digitales Projekt starten: Gehen Sie davon aus, dass weitere folgen werden. Es wird sich auszahlen, von Anfang an strategische Ziele zu definieren sowie Strukturen und Ressourcen aufzubauen, die Sie auch in Zukunft nutzen können. 

Mut zum ersten Schritt
Die Ausnahmesituation der Pandemie hat gezeigt, wie mit Kreativität, Pragmatismus und digitalen Mitteln neue Zugänge zum immateriellen Kulturerbe entstehen können. Lassen auch Sie sich auf dieses Abenteuer ein. Das Digitale bietet Raum zum Experimentieren und die Chance, flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen einzugehen. 

Ganzheitlich denken
Sammlungsgüter stehen zunehmend digital zur Verfügung – als digitalisierte und „Born digital“-Objekte. Außerdem wird der Umgang mit den entsprechenden Inhalten und Endgeräten für das Museumspublikum immer selbstverständlicher. Verstehen Sie Ihre Digitalprojekte deshalb nicht als bloße Ergänzung, sondern als integralen Teil der Gesamtstrategie Ihres Museums.

Über den Tellerrand blicken
Mit digitalen Anwendungen besteht die Chance, Menschen auch jenseits der klassischen Museumsklientel und an anderen Orten zu erreichen, zum Beispiel im öffentlichen Raum oder zu Hause. Werden Sie aktiv, um den Wirkungskreis Ihres Museums zu erweitern und ein neues Publikum zu erschließen. 

Die Arbeit im Museum wandelt sich. Auf das Personal kommen neue Aufgaben und Arbeitsweisen zu – auf mehreren Ebenen. Hier gilt es, die Mitarbeiter*innen mitzunehmen und einzubinden.

Informieren
Wer die Richtung nicht kennt, bleibt orientierungslos und kann weder nach innen noch nach außen erfolgreich wirken. Deshalb braucht es von Anfang an eine offene und transparente interne Kommunikation. 

Technisch qualifizieren
Digitale Anwendungen sind selten selbsterklärend. Gerade ältere Besucher*innen benötigen oft Unterstützung oder zumindest einen Anstoß, sich auf die Technik einzulassen. Um helfen zu können, müssen die Mitarbeiter*innen vor Ort die Technik erst einmal selbst verstehen.  

Sozial schulen
Museen entwickeln sich weg von der reinen Wissensvermittlung, hin zu Erlebnis- und Begegnungsorten. Wo Dialog und Partizipation zunehmen, muss das Personal dazulernen und sein Kommunikationsverhalten gegebenenfalls anpassen.

Langfristig aus- und weiterbilden
Neue Vermittlungswege und Kommunikationsformen brauchen andere Kompetenzen. Darauf sollten sich Museen nicht nur anlässlich aktueller Projekte einstellen, sondern längerfristig entsprechende Maßnahmen der Personalentwicklung ergreifen.

Nicht nur die eigenen Mitarbeiter*innen sollten im Bilde sein, wenn digitale Projekte zur Vermittlung von IKE anstehen. Idealerweise werden auch Externe frühzeitig informiert. 

IKE-Träger*innen einbeziehen 
In digitalen IKE-Projekten ist es ratsam, so früh wie möglich IKE-Träger*innen ins Boot zu holen. Dabei offen, transparent und auf Augenhöhe zu kommunizieren, ist entscheidend. Denn ohne diejenigen, die das jeweilige Erfahrungswissen kennen und leben, geht es nicht.

Potenzielle Nutzer*innen befragen
Auf die Zielgruppen zuzugehen und deren Bedürfnisse und Erwartungen abzufragen, hat sich sehr bewährt. Eine frühzeitige Bedarfsanalyse verhindert Fehlinvestitionen und damit verbundenen Frust.

Publikum animieren
Digitale Anwendungen sind keine Selbstläufer. Gerade bei Formaten, die auf Interaktion setzen, müssen die Besucher*innen oft mit erhöhtem Aufwand zum Mitmachen bewegt werden. Das braucht Personal und womöglich eigene Marketingmaßnahmen.

Digitale IKE-Projekte sind divers und dynamisch. Hier treffen Menschen mit verschiedenen Rollen, Sichtweisen und Zielen aufeinander. Sie bringen unterschiedliches Vorwissen mit und lassen in der Zusammenarbeit neues Wissen entstehen. Auf Museumsseite ist Offenheit in alle Richtungen gefragt, um alle Perspektiven im Sinne des gemeinsamen Projekterfolgs einzubeziehen.

Offenheit gegenüber IKE-Communities 
Die Träger*innen des immateriellen Erbes haben naturgemäß eine sehr spezifische Sicht auf ihr Thema und formulieren diese oft in ganz eigener Sprache. Diese Stimmen anzuhören und Subjektivität zuzulassen, zahlt sich aus.  

Offenheit für technische Themen 
Wenn IT-Entwickler*innen, Hard- und Software-Expert*innen frühzeitig im Boot sind, Bedenken äußern und selbst Wege aufzeigen können, steigt die Wahrscheinlichkeit auf ein stabiles digitales Produkt erheblich. 

Offenheit im Prozess 
Das Prinzip der „Agilität“ ist in der Softwareentwicklung heute fest etabliert. Es trägt der Erfahrung Rechnung, dass in unserer komplexen Welt Anforderungen immer seltener vorab definiert werden können. Stattdessen muss in Projekten mehr experimentiert und ein Kurswechsel oder gar Scheitern von vornherein eingeplant werden. Das ist herausfordernd, gerade in einem Umfeld, wo das Vergaberecht klare Anforderungskriterien vorschreibt. Wenn irgend möglich, sollten Ausschreibungen dennoch flexibel formuliert werden, sodass auf Erkenntnisse im Projektprozess reagiert werden kann und auch Finanzmittel bedarfsorientiert eingesetzt werden dürfen. Denn zu starre Zielvorgaben verengen den Spielraum für Erkenntnisgewinn und Entwicklung. 

Offenheit gegenüber Museumskolleg*innen 
Am Rande der Interviews war immer wieder zu hören: Ein intensiverer kollegialer Austausch ist wünschenswert, damit Museumsmacher*innen voneinander lernen können, denn Ideen und Ziele sowie gemeinsame Lösungsansätze oder auch Projekte können so gemeinsam erdacht werden.

 

Das Institut für Museumsforschung möchte mit dieser Website einen Beitrag leisten, den Austausch aufzunehmen. Anknüpfungspunkte gibt es zur Genüge. 

Wenn Sie Kontakt zu Kolleg*innen suchen, finden Sie die Kontaktdaten auf den Detailseiten der beteiligten Häuser. Melden Sie sich gern bei uns, wenn Sie eigene Erfahrungen und Gedanken zu dieser Website beitragen möchten.